Begegnung

Es ist spät abends. Den Gang auf meine Haustür zugehend, ruft mich eine weibliche Stimme an. „Sind Sie Herr Lieberwehr?“ Die Stimme ist scharf und bestimmend, dabei eher leise, als dass es die Lautstärke ihrer Jugend wäre, die mich erreicht. „Ja. ich bin Herr Lieberwehr, Ratthe Lieberwehr, guten Abend, und wer sind Sie?“ „Ich bin Caya, erinnern Sie sich an mich?“ Mit dem letzten Wort ihres Satzes löst sich ein Schuss aus ihrem Revolver, den sie unbemerkt auf mich gerichtet hielt, und traf mich in den Oberschenkel, dass es mich rasend vor Schmerz durchfuhr; wie damals. als sie mich verließ!

Ja, ich weiß wer Du bist, auch wenn ich Dich nie sah, aber deutlich lebt vor mir das Bild eines Traumes, das Du für mich damals warst.“ Aus den Augen des Mädchens, deren Gesicht ich nur undeutlich sah, löste sich langsam eine große Träne, als sie die Mitte ihrer Wange erreichte, löste sich ein zweiter Schuss aus ihrer Handfeuerwaffe, der mich in den anderen Oberschenkel traf.

Lass uns einen Kaffee trinken, sagte ich, unbeachtend das Blut, das sich in Strömen an meinen Beinen zu reißenden Rinnsalen formte. Ins Haus eintretend folgte sie mir, durch den Flur hindurch in die Küche, meiner gerinnenden Spur folgend, deren Wesen uns gemeinsam war. Das Wasser aufsetzend bat ich sie, Platz am Tisch zu nehmen, während sie den Revolver auf mich gerichtet hielt, in ihren Händen, deren Ursprung mich auch heute noch webend verzehrt, stellte ich Tassen auf den Tisch, deren Porzellan Motive aus der Welt der Urgeschichte trug. Das Licht formte die Zeit, die das Wasser benötigte, seinen Siedepunkt zu erreichen. Innerhalb dieser Ewigkeit das Wasser dann in den Handfilter gießend, sagte ich ihr, dass nur ein Satz zu artikulieren wäre, dass er das Einzige sei, was für mich an einem Anfang stehen könnte.

Den frischen Geruch des Kaffees einatmend, ging ich in den Flur, nahm den Siegel von der Wand, während ihre Augen mich verfolgten, die Tasse an den Mund führend, stellte ich den Spiegel in die Küchenspüle, die sich dem Tisch gegenüber befand, an dem sie saß. Dem Konkreten näher kommend, setzte ich mich neben sie an den Tisch, auf dem der Kaffee dampfend stand. Erschrocken rutschte sie zur Seite, doch wir beide waren im Spiegel in der Spüle, neben dem Topf mit der Petersilie, zu sehen, ihre Erschrockenheit mit der blassen Hand um den Revolver, in den Falten, mein Gesicht. „Gib mir bitte den Revolver, Du wirst ihn zurückbekommen.“ Die Waffe in den Händen haltend, sah ich unsere Spiegelbilder, so nah einander, wartete ich darauf, dass sich unsere Augen im schwachen Schein der Küchenlampe treffen mögen, im kalten Glas unserer Herkunft. „Damals“, sagte ich, „als Dein Leben geboren wurde, wünschte ich mir Dich, im Unvermögen der schwangeren Zeit, ohne je endgültige Klarheit zu erlangen, trat Deine Mutter mich aus Eurem Leben. Damals verbrannte mein Sein hinter zerbrechenden Träumen. Tot wollte ich sein, bis fallender Regen meinen Händen Nahrung bot, langsam die blutige Krume dem Sprießen von Sehnsüchten Durchlass bot. So floss das Wasser unter den Brücken wohl zwanzig Jahre lang“ als der Schuss aus der Waffe in meiner Hand das Spiegelbild klirrend zerfetzte.

 

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