Dokument der Maueröffnung als Geschichtsfälschung

Berliner Senat investiert 300000 DM zur Verkehrung historischer Tatsachen

Einweihung des Triptychons zur Maueröffnung von Matthias Koeppel am 16. Januar 1997 im Casino des Abgeordneten Hauses

Er hängt da auch – auf Jahrhunderte verewigt durch 5 fache Grundierung aus Vorleim, Knochenleim und anderen Materialien. Die mehrfache Ölschicht auf belgischer Leinwand, so führte der Maler aus, in Deutschland sind nur handtuchgroße Flecken erhältlich, und das gut abgelagerte Holz aus amerikanischer Esche, verleihen ihm die Unendlichkeit, von der Dr. Hanna-Renate Laurien sprach, als sie vor der Presse ausführte, dass das, was über den Augenblick hinaus reicht, was die Erfahrung des Augenblickes bewahrenswert macht – das ist die Kunst des Malers, Kunst aus der Realität zu abstrahieren, während, so führte Frau Dr. Laurien aus, die Fotografie lediglich: den Augenblick festhält; ohne dabei Kunst aus der Gegenwart zu destillieren.

Die Frage nach dem Augenblick dieses, so Kunstprofessor Matthias Koeppel, Historienbildes, entsteht augenblicklich, denn, wie im Berlin Online der Berliner Zeitung zu lesen, ist dieser Augenblick eine Fiktion. Der Kanzler mit der zwanzigfachen Ehrendoktorwürde war im historischen Moment des 9. Novembers 1989 irgendwo, aber nicht in Berlin. Für 300000 DM wurde er von Warschau ins Gemälde hinein gefälscht, um zukünftigen Betrachtern aus aller Welt geschichtsverdrehte Fakten zu suggerieren: des Kanzlers Präsenz und Willigkeit auf dem Höhepunkt der Deutschen Umgestaltung dabei gewesen zu sein und Interviews gegeben zu haben.

(Link: Graffiti: Ich war dabei)

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Dabei steht sein feistes Grinsen im grotesken Widerspruch zu seiner linken Hand, die mit starr errichteten Fingern die Massen von sich weist. Das er mit den Massen, insbesondere den Berliner Massen im Konflikt stand, wurde während seiner Rede, damals am Schöneberger Rathaus deutlich. Er hielt seine Rede – tapfer wie er ist und redete gegen ein tosendes Meer aus Pfiffen und Protestrufen an. Nur kurz hielt er inne und der Spiegel kommentierte: Die Rede wird nicht abgebrochen! Nach der Ansprache brauchte er Parteigenossen, die nicht buhten – diese fand er, so Berlin Online, bei einer CDU-Kundgebung im Westen der Stadt Berlin.

Der Landespressedienst vom 13. Januar schreibt: Das Triptychon ist – neben seiner Aussage und Bedeutung als Kunstwerk – auch ein Dokument der Nachkriegsgeschichte. Nur welcher? Der Deutschen Nachkriegsgeschichte ist es eine Fälschung! So muss es Kohls privater oder der allgemeinen CDU-Geschichtsschreibung dienen, nur – was haben die Menschen der DDR davon, die damals den Umsturz gewaltlos herbeigeführt haben? Der Bundeskanzler der Bundesrepublik kam erst am 22. Dezember 1989 zur Eröffnung neuer Grenzübergänge an die Berliner Mauer am Brandenburger Tor. Der Spiegel kommentierte: Jetzt winkt er! Im Regen will sich der rechte Jubel nicht einstellen. Die Masse skandiert: Helmut!!! „Historische Stunden geben ihren Glanz weiter – da will keiner Fehlen“: sagt der Sprecher der Spiegel Reportage. Der Ministerpräsident der Deutschen Demokratischen Republik winkt nicht!: Zitat Ende. Kohl rief der Menge noch etwas zu von Geduld und gemeinsamer Zukunft. Zukunft? Seine, an christliche Grundwerte orientierte Politik, führte zur höchsten Arbeitslosigkeit im Nachkriegsdeutschland mit über vier Millionen Arbeitslosen Anfang 1997. Glückwunsch Herr Bundeskanzler.

Ereignis a: Am 9. November 1989 teilt Politbüromitglied Günter Schabowski mit: „….haben wir uns dazu entschlossen, heute eine Regelung zu treffen, die es jedem Bürger der DDR möglich macht, über Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen“.

Ereignis b: Gegen 23 Uhr am 9. November 1989 drängen 40000 Menschen am Grenzübergang Bornholmer Straße die DDR-Grenzwächter zur Seite und „stürmen“ Westberlin.

Ereignis c: Am 10. November 1989 ist die Mobilisierung der DDR-Truppen rund um Berlin abgeschlossen. Durch die Operation „Zentrum“ sollte Westberlin innerhalb von 12 Stunden okkupiert werden.

Während der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin Willi Brandt, so schreibt die Berliner Allgemeine vom 17. Januar 1997, ein begehrtes Objekt der Medienleute war, erscheint der Antiheld des Kalten Krieges im mittleren Bild des Triptychons an die linke untere Bildhälfte gequetscht. Mit offenem Mund betrachtet er die Ereignisse – insbesondere aber Kohls TV-Interview. Brandt hat wie kein anderer Deutscher Politiker an der Entspannung der beiden Deutschen Staaten mitgewirkt und damit einen imaginären Grundstein zur Verhinderung eines möglichen Krieges zwischen Ost und West und zur friedlichen Deutschen Revolution 1989 gelegt. Im Bild befindet sich Brandt in unmittelbarer Nähe zur Bundesdeutschen Polizei. Eine Betrachtung seines Antlitzes ist ohne die Wahrnehmung der staatlichen Kontrollorgane nicht möglich. Damit wird Herr Brandt historisch brutalisiert, anstatt den Friedensnobelpreisträger von 1971 zu würdigen. Der Regierende Bürgermeister von Berlin der realen Jetzt-Zeit spielte damals nur eine unbedeutende Nebenrolle. Nur seiner jetzigen Größe, und seiner Parteizugehörigkeit zur klerikalen CDU ist seinem Erscheinen in dem gemalten Geschichtsbetrug zu verdanken. Im rechten Bild gehört ihm die untere linke Ecke. Seine Berlin-Kenntnisse müssen dem Maler als Mangelhaft bekannt gewesen sein, denn wie sonst ist es zu verstehen, das Herr Diepgen den Falk-Stadtplan benötigte, um das Brandenburger Tor im weihnachtlichen Berlin zu finden? Herr Momper versteht sich, befindet sich in einer besonderen kompositorischen Rolle. Obwohl er mit seinem Megaphon die obrigkeitserschöpften Massen der DDR zwangsadressiert, war sein knallroter Schal von farbkompensatorischer Wichtigkeit. Seine flutende Abstrahlung in winzigen Nanometern erforderte fein abgestufte Pendants von Mitte bis Rechts, gemeint, so der Maler, im apolitischen Sinne, an strategischen Bildpunkten. Um dies zu bewerkstelligen, führt der Maler aus, musste er sein Leben auf eine harte Probe stellen. Nur Schutzengel, vermutlich Abgesandte des CDU-Senates, verhinderten im Eifer seines Schaffensrausches sein Stürzen von der ca. 5 Meter hohen Leiter. Ein Arbeitsgerüst konnte nicht verwendet werden, denn es hätte den kompositorischen Zusammenhang zerrissen. Ebenfalls das Grau des Himmels brauchte Entsprechungen. So kam es glücklicherweise in dem Schaffensjahr des Triptychons, vollgepackt mit 3000 Arbeitsstunden, nur zu einem banalen Volltreffer des Geschichtsabsturzes. Momper krakelte in die Menge: Liebe Berlinerinnen und Berliner, zur Eröffnung des Überganges begrüße ich erst einmal Oberbürgermeister Krenz – die Parteifreunde grölen im Hintergrund: ha ha ha ha! – Herzlich willkommen in unserer Mitte. Was ich den Kollegen Pionieren von den Grenztruppen sagen will, wie sie das gemacht haben, das war sehr flott, das war Wertarbeit. Deutsche Wertarbeit, die im Triptychon zeitlos geworden ist. Als hätte Momper etwas bedeutendes gesagt oder zeitloses zum Fall der Mauer beigetragen. Muss da nicht herzlich gelacht werden.

Die von „Drüben“, die die Wende herbeigeführt haben, die, auf deren Gewissen die Operation „Zentrum“ gelastet hätte, finden sie eine gebührende Erwähnung in dem Historienbild? Westdeutsche Prominenz sind als deutlich erkennbare Persönlichkeiten platziert, während die wirklichen Akteure der Wende, die Massen der DDR anonym bleiben. Genscher in der dritten Reihe. Herwig Haase steht neben Laurien, die mit offenen Augen und leicht geöffneten Lippen in die Betrachter starrt. Sucht sie direkten Kontakt mit der Zukunft? Will sie sich in die Gemüter der Postgegenwart kuhhäutig visionieren? Sie sprach von der nicht unnützen, nicht vermeintlichen ungleichzeitigen Gleichzeitigkeit der Petersilie auf der Schüssel des Lebens. Sie, so führte Frau Laurien aus, ist das wesentliche für unsere Existenz als Menschen und befähigt uns, sozial miteinander leben zu können. Habe ich da etwas durcheinander gebracht? Mögliche Kritik verschmäht sie: …..als Fragen der Eitelkeit, die nicht zum Tagesgeschäft entarten sollen – entarten? Sie lieh bei Brecht und Benn und suchte Kunst. Heraus kam: …denn sie verändert das Bewusstsein des Betrachters. Sie macht aus dem Zuschauer einen Mittäter. Um diese Bewusstseinsveränderung geht es. Hier können neue Maßstäbe gesetzt werden! Das von Laurien als großartiges Kunstwerk und Zeugnis deutscher Geschichte gepriesene Historienbild verkommt zur gemeinen Kunsthure. Der Maler, ein Professor der Kunst zum Prostituierten. Von Laurien als Auftragswerk bestellt, war die politische Funktion des Triptychons als teure Makulatur vorbestimmt. Eine Erhöhung zum Kunstwerk findet auch nicht durch die Tatsache statt, das das Abgeordnetenhaus damals Teil der DDR Grenzanlage war. Das Bild kann nicht die reale Berliner Mauer, auch nicht die wenigen Mauerreste als Denkmal ersetzen. Gegenüber dem Abgeordneten Haus in der Niederkirchnerstraße befinden sich noch 198 Meter der ehemaligen Frontmauer. Anstatt diesen Mauerrest in seinen historischen Originalzustand mit Todeszone, Spanischen Reitern und funktionierenden Peitschenlampen zu versetzten, verkümmern die eingezäunten Segmente zu Abfall. Gerade an diesem historischen Ort mit der Topographie des Terrors und dem Martin-Gropius-Bau wäre der originäre Erhalt samt Denkmalschutz für die nachfolgenden Generationen von historischer Bedeutung. Die Abgründe der Folterkeller der Nazidiktatur neben dem „antifaschistischem Schutzwall“ der DDR Diktatur – ein historisches Zentrum wichtigster Deutscher Vergangenheit!

Während der Berliner Spar-Senat ‘96/7 Geld für sich selbstverherrlichende Bilder zum Fenster rauswirft, verkommen großartige Kunstwerke an der East Side Galerie. Die Mauerkunstwerke, obwohl schon nicht mehr Originale der Zeit vor der Wende, haben doch eines gemeinsam: Sie verherrlichen nicht. Politiker waren nur Trittbrettfahrer des Geschehnisse, nichts weiter. Sie rannten den Ereignissen atemlos hinterher und produzierten sich vor Artgenossen, um sich in ihrer Macht zu verstärken. Sie haben Angst, von der Geschichtsschreibung übersehen zu werden.

Im Mauerdurchbruch von Kani Alavi metamorphisiertn die Massen aus der diktatorischen Anonymität zu erkennbaren Individuen. Aus der eingegossenen Starrheit des Systems bewegen sie sich amorph auf das Unerwartete zu. Sie durchfluten den Eisenbeton, sie schaffen den Durchbruch und verwandeln sich zu Gezeichneten. Erstaunt aufgerissene Münder! Ineinander blickende Augen! Freude und Leid ist ihnen immanent. Sie strömen in den Gehweg hinein und werden unter dem Schnee der Neuzeit zu zeitlos bewegten Schicksalen im Exodus.

Die Götterdämmerung macht das Leid der Zeit erfahrbar. Während die aggressive Luft und der Schmutz der Straße das Gemälde täglich verändert, erhöht; ist der Wandel der Zeit im cinematischen Zeitraffereffekt verdichtet. Die Mauer ist auf der Mauer symbolisch auferstanden. Starr, monumental, faschistoid hält sie die Menschen in einer tragikomischen Begrenztheit gefangen. Das System kämpft für den Tellerrand aus Beton und Stahl. Blut sickert durch das Segment und bildet einen roten Strom der Freiheitssucht. Es gab Menschen, die dem System entfliehen wollten. Das System gab den Befehl zur Ermordung. Das war ein Tellerrand ohne die Lebenspetersilie – das war tödliche Sturheit ideologisch verkrüppelter Machtmenschen. Auch in der Götterdämmerung wird die Mauer überwunden. Häuser zerfallen in Nebelzeit. Als doppelte Erhöhung der Kunst erodiert die Zeit mit seinen Reagenzien kontinuierlich an dem Jetzt. Das Gemälde zerfällt. Kohlenmonoxid und -dioxid der Abgase verbinden sich mit der Luftfeuchtigkeit zu kohlensäurehaltiger Luft, die den Beton und die Farben angreift. Auto-reifen spritzen öliges und dreckiges Wasser der Straßenpfützen gegen die Galerie – Mauerspechte tun ihr übriges. Die Götterdämmerung, wie die anderen Bilder der East Side Galerie, zerfällt, doch der Zerfall ist als ein Teil des Kunstwerkes zu verstehen, bis der Zyklus neu beginnt. Der Künstler restauriert sein Bild – bis auch die Restauration wieder verfällt. Andere Künstler könnten ihre geschichtsspezifische Interpretation der Ereignisse über die Veränderung der Zeit darstellen. Der Zerfall ist Teil des Kunstwerkes und damit gewinnen die Bilder Zeit – sie werden sichtbare Zeit! Betonelemente stürzen in die Schlucht der Mauer. Dadurch wird der Beton brüchiger, hohler – gewinnt aber auch an Tiefe, sie wird dreidimensional. Mit der Zeit schreitet die Dreidimensionalität voran – das Gemälde wird makroskopisch vierdimensional.

Der viel zitierte und als Kunstwerk anerkannte Trabant von Birgit Kinder durchbricht die Mauer in seiner restaurierten Fassung. Trabant 1990 / 1996. Die Zeit erlebbar am Kunstwerk. Sichtbare Evolution. Das ist die Erkenntnis vom Anfang, vom Ende und vom intermediären, vom Leben dazwischen. Der Trabant ist gesichtslos – kein Fahrer ist hinter der Windschutzscheibe, hinter dem Lenkrad erkennbar. So, als würde der Trabant selbst als stumpfes Wesen aus Pyroplast dem System entfliehen wollen. Seit bestehen produzierte die an 20 zigster Stelle auf der Wohlstandsskala platzierte Militärmacht DDR mit dem VEB Sachsenring in Zwickau lediglich drei Millionen unsterbliche Exemplare, auf die der Bürger dann bis zu 13 Jahren nach Bestellung warten musste. Auch die 12,9 Milliarden US-Dollar Reparationen an die Sowjetunion können keine Entschuldigung für die Flucht der Produkte ins kapitalistische Nachbarland sein.

In einem roten Jackett im Scherensprung überspringt der DDR-Flüchtling die 3,6 Meter hohen Sperrelemente der Mauer. Heldenhaft prosaisch verbirgt sich hinter der symbolischen Flucht in der sommerlichen Ausgangskleidung die Tatsache von 188 Todesopfern an der deutsch-deutschen Grenze seit dem Mauerbau am 13. August 1961 durch Schusswaffengebrauch oder durch Tretminen in der Todeszone. 77 Menschen starben an der Berliner Mauer. Im anonymen Hintergrund versammelten sich Beobachter der Flucht. Sie folgten seinem Beispiel, nur Überwanden sie die Mauer, indem sie sie einrissen. Die Blockheads von Césare Olhagaray Prangern die Käuflichkeit der Zeit an. Sie trägt einen Mercedesstern aus kaltem Chrom auf ihrer Brust. Die dreizackigen mit Bananen geschmückten Pseudopodien auf den Köpfen erinnern an den Bananenausverkauf nach dem Fall der Mauer. Am Wochenende 11./12. November 1989 reisten 3 Millionen DDR-Bürger in die Bundesrepublik und nach Westberlin. Ostberlin war leer gefegt. Die Presse Westberlins meldete: Bananen ausverkauft! Die Hakennasen erinnern an Hakenschlagen – die Wende mit seinen Wendepolitikern, Wendebürgern und Saubermännern, deren Geheimnis verborgen in den Dokumenten der Stasi langsam die Öffentlichkeit erreichten. Die dem Bild immanente Kritik taugt dem reformbedürftigen Staat nicht. Die Maschinerie greift an. Rote Telefone vor glatzköpfigen Todesboten. Ineinander verzweigende Wesen, Augen hinter Schlitzen – ein Fleischwolf ist Ausdruck des Inneren.

Vielleicht sollte der Denkmalschutz für einen Neuanfang plädieren. Die Gemälde der East Side Galerie könnten die Sperrelemente an der Niederkirchnerstraße ersetzen und damit zu einem ganzheitlichen geschichtshistorischem Kunstwerk, bestehend aus dem Museum Topographie des Terrors, dem ehemaligen Preußischen Landtag als damaliger Bestandteil der Grenzanlage, und der Grenzanlage selbst mit seiner Hinter- und Vorderlandmauer, dem Todesstreifen aus Spanischen Reitern, Peitschenlampen und Beobachtungstürmen, verschmelzen. Prof. Matthias Koeppels triptychale Geschichtsfälschung könnte versteigert werden und der Erlös dem „Historischen Zentrum zur Deutschen Geschichte“ am Martin-Gropius-Bau dienen.

Ralf Gründer

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