Die Ermordung von Lukas Vuma

Hluphekani (Mozambican Refugee Camp in Giyani, Gazankulu)

Trockenheit. Dürre. 42 Grad Celsius. Nordöstliches Transvaal. Ximoko Land. Rötlicher Staub bedeckt die Blütenstengel. Ebenes Land mit Gras und Büschen voller Ziegen. Trockene Flußbetten durchziehen die Hoffnung der Kriegsflüchtlinge. Mosambik. Inselberge durchbrechen die Sicht. Gebänderte Eisenerze auf den Gipfeln überliefern die Vorzeit der Menschheit. Krokodile am Ufer des Levuvhu. Mangobäume stehen im Ntsanwisiland. Gras gedeckte Rundhütten. Lehmziegel. Blechdosen. Holzfeuer. Maisbier. Einige Esel mit Narben. Aus dem Kofferradio plärrt Thomas Chauke 11. Shangaan-Frauen tanzen. Die Füße stehen still – barfuß auf dem roten Staub. Die Arme vom Körper schräg abgewinkelt. Der Hintern schwingt zum Rhythmus. Ein Unterkleid lässt die Frauen wie kegelförmige bunt karierte Puppen erscheinen. Andere Frauen gehen in einer Kolonne und tragen Wasser in 20 Liter Kanistern heim zu ihren Familien. Rötlicher Staub umweht ihre Beine. Sisalplantagen zeichnen den Horizont. Abgeschlagene Stöcke im Boden grenzen die Grundstücke ab. Hluphekani – auf Shangaan, bedeutet: Leiden. Weiße Ingenieure passieren das Lager auf dem Weg zur stillgelegten Goldmine „Birthday“.

8000 Menschen kamen auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg. Renamo mordet, schlachtet, erbarmungslos. Hoffnung auf Frieden. Spazas entstehen über Nacht. Kinder verkaufen Tomaten auf Papptheken. Rotstaub umweht ihre Münder. Fliegen sitzen in den Augenrändern. Ein Kleinkind fäkaliert am Seitenstreifen. Schlaglöcher. Ratten durchwühlen die Bergketten aus Unrat. Männer auf Fahrrädern sind auf der Suche nach Freundinnen. Jungen peitschen Felgen über die Wege.

Refugee Camp Hluphakani
Ein Junge spielt mit einer Fahrradfelge im Flüchtlingsdorf Hluphekani. Foto: Ralf Gründer

Draht geflochtene Autos mit Lenkrad stillen Kinderträume. Eine Frau offiert auf dem Boden ausgebreitete second hand Kleidung. Fleisch eines Pferdeschädels vom Abattoir auf der westlichen Seite von Giyani hängt in Streifen zum Trocknen vom Ast eines Baumes. Häuptling Homo gehört das Land östlich Giyani, auf dem sie ihre Rundhütten errichten durften.

Hluphekani
In diesem Bereich von Hluphekani wohnte Lukas Vuma. Foto: Ralf Gründer

Am Abend spielte Lucas mit seinen Freunden Karten. Es war der 20. September 1991. Der Einsatz war Geld. Dabei tranken sie vielleicht ein Bier. Sie waren noch Kinder; Jugendliche. Lucas Vuma gewann. Die Verlierer begannen zu streiten. Sie forderten ihr Geld zurück. Lucas Vuma wollte den Gewinn nicht zurückgeben. Wozu auch? Es war Seins. Gewonnen! Sie trennten sich; doch aus Angst vor der Rache seiner Freunde schlief Lucas nicht in seiner Hütte, sondern im Haus seines Freundes Manuel Chauke.

Manuel Chauke am Tag nach dem Mord.
Manuel Chauke am Tag nach dem Mord.

Manuels Hütte am Rande von Hluphekani bestand aus einem Geflecht aus Sisalstämmen. Das Dach und die Wände waren aus Pappe. Weggeworfen von dem Ladenbesitzer nach dem Auspacken der Pulvermilch an der Tankstelle an der Kreuzung Giyani-Malamulele. In der Nacht spürten ihn seine Freunde dennoch auf. Zuerst suchten Sie ihn in seinem eigenem Shack. Sie überlegten. Manuel Chauke hörte sie kommen und rannte davon. Die Angreifer gossen Benzin über die Hütte aus Pappe und legten Feuer. Lucas Vuma verbrannte im Schlaf. Zurück blieb nur der Umriß der Hütte aus Asche und die verkohlte Leiche. Noch am gleichen Tag wurden seine Überreste auf dem Friedhof außerhalb von Hluphekani begraben. Eine Ermittlung der Täter erfolgte nicht. Keine Intarsien erinnern an das Leben.

Die Leiche von Lukas Vuma am Morgen nach der Mordnacht.
Die Leiche von Lukas Vuma am Morgen nach der Mordnacht.

Ein LKW fährt langsam ins Flüchtlingslager. ZZ2 Farm Moketsi, oder andere Farmen aus der Umgebung von Pietersburg und Tzannen schicken ihre schwarzen Fahrer, um billige Arbeitskräfte für die Landarbeit zu holen. Frauen klettern auf die Ladefläche. Kinder mit Tüchern auf den Rücken geschnürt. Männer bleiben zurück. Sie haben weitere Frauen zur täglichen Arbeit in ihren Hütten. Aus einem Radio plärrt traditionelle Musik. Obwohl noch früh am Tage beginnen einige zu tanzen. Eine Frau schmeißt ihren Abfall auf die Bergkette am Wegesrand. Ein Junge peitscht eine Fahrradfelge durch den rötlichen Staub.

Viele Refugees arbeiten auf den Feldern der "weißwn" Farmen.
Viele Refugees arbeiten auf den Feldern der „weißwn“ Farmen.

 

Text und Fotos: © Ralf Gründer, Berlin (geschrieben 1991 in Giyani, Gazankulu, Südafrika)

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