Supermarkt

Herum glotzende Fressalien blöken im Neonlicht,
ein jammernder Spiegel beobachtet parkettierte Gänge,
bekitteltes Personal ohne Gesichter,
ohne Ohren, mit Augen,
schleppen ihre Körper gehetzt durch die Stellagen.

Konservenbüchsen aus Ghana
liegen verstreut in einem der zahllosen Gänge.
Hungrige Kinder stolpern darüber.
Zähne schlagen kein Blech,
knacken nicht gesüßten Stahl.

Mütter schnallen mit Peitschen,
erschreckt schaut der Abteilungsleiter,
rennt fort in die Arme einer prallen Maria,
süffig versinkt er in ihrer fernen Scham.

Vorsichtig, langsam spähend,
treten meine Füße ein in die Abteilung
Käse und Wein.
Mein weites Jackett hängt lose auf den Schultern,
die Taschen sind noch leer.

Niemand hält Ausschau nach roten Brillen,
niemand riecht die geputzten Schuhe,
die sanftmütig und stark meinen Körper
durch die weite Fresslandschaft tragen.

Sacht fährt meine Hand
über cellophanbespannten Käse,
eckig und leuchtend gelb
springt er in meine Tasche,
beuelt sie aus.
Sehen könnte man es.

Fühle den Geruch maximierter Konserven,
prall scheinend in roter Tunke.
Apfelkompott ist hungrig vergessen worden.

Durch aufgetürmte Waren fällt streifiges Licht
Produziert Schattenmuster auf meiner geaderten Hand,
strukturierter Antireflex.

Lächelnde Kuhaugen, sanft, ohne Wimpern,
hängen über dem spitz aufgezwirbelten Darm
prall gefüllter Leberwürste.

Freudiger Glanz dem Plakat gewidmet,
gegenüber, im Kegel einer Natriumdampflampe,
Werbung macht das Krematorium Wilmersdorf,
schnelle zügige Arbeit,
rückstandslos, sauber
heißt es.

Mehrzweckverwendung empfohlen.
Natürlich Sommersparpreis.

Helle Würste aufgehängt,
daneben erinnern an Auschwitz.
Massenhaft gefüllte Gräber,
Überfluss, Galgenreihen,
gekreuzigte Christinnen.
Damals Kurdistan,
heute Kalbsleberwurst,
Beduinen schnitten sie ab,
magere Weiber mit Löchern
in den Händen und in den Beinen.
Danach wurden sie die Frauen ihrer Retter;
gefragt wurden sie nicht.

Kassenklingeln hallt in einer langen Reihe,
Einkaufswagen prallen aufeinander.
Eine Plastikmilchtüte fällt zu Boden,
weiße Emulsion spritzt an die Nylonbeine,
hochhackig und spitz
breitet sich die fettige Emulsion aus.

Hilflos tanzt ein Säugling,
will trinken, doch findet die Warze nicht.
Nimm doch einen Halm,
du kleiner Wicht, lallt ein blöder Greis.
Dickwanstig, versteckt sich sein Geschlecht
unter der Speckfalte, die sein Wanst wirft.
Seine Blödheit manifestiert sich
in seinen geröteten Augen:
Sie sind leer, gleich den Regalen vor dem Osterfest.

Bunt gefärbte Eier quellen aus den Mündern.
Entsetzt verlässt die Kassiererin ihren Produktionsort,
verfolgt von schleimigen Seelachszungen,
die ihren Schlüpfer küssen wollen.

Straff gespannter Stoff über Körperschweiß,
salziger Nektar süchtiger Konserven,
lieblicher Ausfluss,
Entladung.

Schleusen öffnen sich.
Lärmendes Gerede quillt hallend hinweg
über rasende Schritte,
flutwellenartig bricht die Katastrophe
über die Abteilung ein.

Es sind blutgefüllte Maschinen,
Hände – statt platinlegierter Greifwerkzeuge,
Haare – haarspraystinkend,
bizarre Strähnen – königsblau,
Wimpern – überzeichnet,
Lippenstift

Entgrenzte Strukturen bilden Gesichter
die sich verzerrt auf die Lebensmittel stürzen,
aufgerissene Münder werfen Projektionen an die Wände,
Hungersnöte in Dürregebieten,
verrenkte Glieder, spitze Gelenke, aufgeblähte Bäuche,
schwanger Embryo, Totentanz-Maske,
Blutzucker, trauriger Ausdruck, Kinderaugen,
weißes Planspiel, trunkene Strategie, vergewaltigter Verlierer,
Adrenalin – verreckendes Vieh!

Projektionen zeigen Atompilze und Bilder vom Krieg,
zeigen Weizenspeicher und Brotfabriken,
hängende Zweige vertrocknender Bäume,
kündigen ab sofort den Fortbestand
der menschlichen Ordnung.

Basisordnung kotzt Strukturordnung,
woanders herrscht Antiordnung.

Als Reaktion auf Starrheit
schwellt der Hunger
folgerichtig über alle Grenzen.

Natürlich woanders!

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